Sehr geehrter Herr Oster,
gestatten Sie mir, Ihnen zunächst zur Wiederwahl in den Deutschen Bundestag zu gratulieren. Wir verbinden das mit der Erwartung, dass Sie sich als Koblenzer Bundestagsabgeordneter besonders für nachhaltige Verbesserungen in unserer Stadt und Region einsetzen. Hierzu gehört nicht nur der eigentliche Umwelt- und Naturschutz einschließlich Klimaanpassung und -gerechtigkeit sondern auch der Schutz und die Weiterentwicklung unserer Demokratie inklusive gerechter und zukunftsfähiger ökonomischer Rahmenbedingungen.
Eine demokratische, tolerante, engagierte und kritische Zivilgesellschaft mit einer geschützten Meinungsfreiheit ist gerade nach den Erfahrungen der Nazi-Diktatur sowie den bedrohlichen antidemokratischen Entwicklungen in vielen europäischen Staaten und den USA ein hohes Gut. Dieses müssen Sie als unser Volksvertreter schützen und besonders fördern und zwar unabhängig von Ihrem Parteibuch..
Umso mehr erfüllt uns das Wirken und die öffentlichen Verlautbarungen Ihrer Fraktion und Partei mit großer Sorge. Sozioökologische und klimapolitische Themen wurden insbesondere im Wahlkampf beiseite geschoben zu Gunsten einer einseitigen Fixierung auf Migration, auf weitere Einschränkungen des Asylrechts und Infragestellung humanitärer Hilfen für Menschen in Not. Eine solche Bedienung von rassistischen Narrativen und Vorurteilen kennen wir bisher vor allem von der AfD. Ein Spiel mit dem Feuer!
Haben Sie, zum Beispiel auch durch Ihr gemeinsames Abstimmungsverhalten mit der AfD keine Angst, diese ausgewiesenen extremistischen Gegner unserer demokratischen Rechtsordnung noch weiter zu stärken? In Rheinland-Pfalz gibt es bereits braune Hotspots von über 30% der Zweitstimmen. Ist Ihnen der Konsens und die "Brandmauer" der demokratischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht so wichtig wie das Einsammeln von möglichst vielen Wählerstimmen? Haben Sie keine Sorge, dass unsere fragile Demokratie bald nicht mehr ohne die AfD regiert werden kann? Wir denken, es ist höchste Zeit, dass die CDU-Fraktion ihre Rolle in unserem Land überdenkt und wieder eine verlässliche Partnerschaft mit demokratischen Parteien und der Zivilgesellschaft sucht.
Besonders befremdet hat uns in diesem Zusammenhang Ihre "Kleine Anfrage" mit 551 Einzelfragen zur "politschen Neutralität" von 17 zumeist gemeinnützigen zivilgeschaftlichen Organisationen, darunter auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND. Dazu nehmen wir als Koblenzer Umweltverband wie folgt Stellung.
Es ist sicher kein Zufall, dass diese Anfrage zwei Tage vor der Wahl veröffentlicht wurde und außerdem Stiftungen und Lobbyverbände aus dem konservativen und CDU-/FDP-nahen Spektrum ausgespart wurden. Leider setzen Sie sich damit dem Verdacht aus, dass es Ihrer Fraktion vor allem um eine Revanche nach der massiven öffentlichen Kritik am Rechtsruck Ihrer Partei geht. Wie Sie wissen, waren seit Jahresbeginn mindestens 2 Millionen Menschen für den Schutz der Demokratie und aus Sorge vor einer weiteren Spaltung unserer Gesellschaft auf den Straßen, auch in Koblenz. Enttäuschenderweise war von Ihrer Partei dort keine nennenswerte Beteiligung zu sehen.
Stattdessen erwecken Sie mit Ihrer umfangreichen Anfrage den Eindruck, gemeinnützige Organisationen wie auch unsere würden satzungs- und rechtswidrig öffentliche Gelder über eine "Schattenstruktur" einseitig Parteipolitik betreiben. Dies ist nicht nur nachweislich falsch, sondern kann auch als ein Versuch der Einschüchterung kritischer Bürgerinnen und Bürger bei ihrem unverzichtbaren Engagement für unsere Gesellschaft aufgefasst werden.
Diese implizierten Unterstellungen der Zweckentfremdung von Finanzmitteln in Ihrer Anfrage ohne jegliche Anhaltspunkte weisen wir darum auf das Schärfste zurück.
Gemeinnützige Organisationen, zu denen der BUND gehört, kämpfen mit ausschließlich demokratischen Mitteln für die klar definierten Satzungsziele. In unserer Satzung ist nicht nur die Überparteilichkeit ausdrücklich festgeschrieben sondern auch die Einhaltung von Grundgesetz und Verfassung. Hierfür stehen wir seit über 50 Jahren mit großem ehrenamtlichen Einsatz. Unzählige Arbeitsstunden und private Spenden setzen wir proaktiv und solidarisch für unsere demokratische Gesellschaft ein. Vor diesem Hintergrund ist Ihre Bundestagsanfrage ein Schlag ins Gesicht unserer Aktiven und Mitglieder.
Alle Bilanzen, Einnahmen und Ausgaben des BUND sind hochtransparent und werden von unabhängigen Wirtschaftsprüfern und den zuständigen Finanzämtern kontinuierlich geprüft, bisher ohne jegliche Beanstandungen. Dies können Sie in unseren Jahresberichten auf der bund.net-Homepage detailliert nachlesen. Die gleiche Transparenz und Rechtmäßigkeit wird unserer Kreisgruppe vom zuständigen Finanzamt Koblenz immer wieder bestätigt. Was soll also dieser Generalverdacht gegen unabhängige gemeinnützige Verbände? Sie gefährden nur den Frieden und den Zusammenhalt unserer fragilen Gesellschaft.
Sehr geehrter Herr Oster, wir gehen davon aus, dass Ihre Anfrage an die Bundesregierung zu keinem anderem Ergebnis kommt. Eine Entschuldigung wäre dann das Mindeste, was die kritisierten demokratischen Verbände verlangen könnten.
Für die Zukunft wäre darüber hinaus eine Förderung des ehrenamtlichen bürgerschaftlichen Engagements wünschenswert statt Verbreitung weiterer unbelegter Verdachtsmomente. Unsere gespaltene Gesellschaft und die Lösung der zahlreichen ökosozialen Probleme hätten das bitter nötig.
Trotz dieser kritischen Anmerkungen stehen wir für einen vertieften Austausch gerne zur Verfügung und erwarten zeitnah eine differenzierte Beantwortung. Diesen Brief und Ihre Reaktion werden wir auch der Öffentlichkeit in geeigneter Weise zugänglich machen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Egbert Bialk,
Vorsitzender BUND-Kreisgruppe Koblenz
Mitglied im BUND-Landesvorstand RLP
Fördermitglied u.a. bei Mahnmal Koblenz e.V. und zahlreichen ökosozialen Vereinen
Beamter des Landes Rheinland-Pfalz i.R.
parteilos
Kontakt: e.bialk(at)t-online.de. tel 01578 6257149, Boelckestr. 9a, 56073 Koblenz